EU-Verordnung und Verfassungsbeschwerde (de)
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Deutschland > Öffentliches Recht > Verfassungsrecht
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts klärte mit seinem Beschluss BVerfGE 22,293 am 18.10.1967 nachhaltig darüber auf, dass das Rechtsmittel der Verfassungsbeschwerde nicht unmittelbar zulässig ist gegen EU-Verordnungen. Begründet haben dies die Richter durch den verfassungsrechtlichen Vergleich der gesetzgeberischen Maßnahmen der Organe der Europäischen Union (damals noch EWG) mit der deutschen Gesetzgebung, deren Gleichrangigkeit aus Art. 24 Abs. 1 GG hergeleitet wird.
Der Europäische Rat und die Europäische Kommission können nach näherer Maßgabe des EU-Vertrags unter anderem Verordnungen erlassen. Diese haben allgemeine Geltung; sie sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Die EU-Verordnungen sind Akte einer besonderen, durch den EU-Vertrag geschaffenen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten deutlich geschiedenen supranationalen öffentlichen Gewalt. Die Organe der EU üben bestimmte Hoheitsrechte aus, deren sich die Mitgliedstaaten zugunsten der von ihnen gegründeten Gemeinschaft entäußert haben. Die europäische Gemeinschaft ist selbst kein Staat, auch kein Bundesstaat. Sie ist eine im Prozess fortschreitender Integration stehende Gemeinschaft eigener Art, eine zwischenstaatliche Einrichtung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG, auf die die Bundesrepublik Deutschland – wie die übrigen Mitgliedstaaten – bestimmte Hoheitsrechte „übertragen“ hat. Damit ist eine neue öffentliche Gewalt entstanden, die gegenüber der Staatsgewalt der einzelnen Mitgliedstaaten selbstständig und unabhängig ist. Ihre Akte brauchen daher von den Mitgliedstaaten weder ratifiziert zu werden noch können sie von ihnen aufgehoben werden. Die von den Gemeinschaftsorganen im Rahmen ihrer vertragsgemäßen Kompetenzen erlassenen Rechtsvorschriften, das „sekundäre Gemeinschaftsrecht“, bilden eine eigene - dritte - Rechtsordnung, deren Normen weder Völkerrecht noch nationales Recht der Mitgliedstaaten sind. Das Gemeinschaftsrecht und das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten sind zwei selbstständige, voneinander verschiedene – aber gleichrangige – Rechtsordnungen. Das neue, säkulare Europäische Recht fließt aus einer autonomen Rechtsquelle, der Sammlung der Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshöfe. Spätestens seit der Solange II-Entscheidung von 1986 ist aber rechtlich klar, dass auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts diese Rechtsquelle „unterirdisch“ speisen.
Das Bundesverfassungsgericht kann gemäß § 90 BVerfGG nur deutsche Akte der öffentlichen Gewalt nachprüfen. EU-Verordnungen stellen formaljuristisch keine deutschen Akte der öffentlichen Gewalt dar ...
Siehe auch
Den Begriff EU-Verordnung UND Verfassungsbeschwerde im deutschen juristischen Web finden
Den Begriff "BVerfGE 22, 293" im deutschen juristischen Web finden
- arbitrium iudicis
- Urteilskunst
- Verfassungsbeschwerde
- Bundesverfassungsgerichtsgesetz
- Verfassungsrecht
- Landesverfassungsfreiheit in Deutschland
- vorübergehend verfassungswidriges Verfassungsrecht
- Deutsche Verfassungsgeschichte
- Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
- EU-Verordnung
- Europäische Individualbeschwerde
- Internationales Freihandelsabkommen
- Mitentscheidung in Europa
- Tertium non datur